Stellen Sie sich vor, Sie sind an einem Meeting und gerade dabei, die neuesten Entwicklungen eines Projekts zu präsentieren. Sie müssen plötzlich dringend zur Toilette. Genau das erlebte BeseyTeo an einem Donnerstagnachmittag, als Teil des zweiten Tages ihrer #InTheirShoes-Simulation, als per SMS dazu aufgefordert wurde, auf die Toilette zu gehen. Zusammen mit 20 anderen Personen nahm sie an einer lebensechten Simulation in der Takeda-Niederlassung in Singapur Teil. Die Simulation diente dazu, die Folgen einer entzündlichen Darmerkrankung (IBD) besser zu verstehen und somit die Behandlungen besser darauf auszurichten.
Für mehr als fünf Millionen Menschen weltweit ist die simulierte Unannehmlichkeit, die Besey erlebte, keine Simulation: Es ist die alltägliche Realität eines typischen Patienten mit IBD. Viele Menschen mit IBD leben tagtäglich mit chronischer Erschöpfung, Übelkeit, Erbrechen und - was am schlimmsten ist - mit quälenden, lähmenden und unberechenbaren Magenschmerzen. IBD kann Auswirkungen auf das körperliche und emotionale Wohlbefinden haben und ausserdem das Sozial- und Familienleben sowie die Arbeit oder das Studium beeinträchtigen.
„Wir hören ständig davon, die Patienten in den Mittelpunkt zu stellen“, sagte Teo. „Es war eine grossartige Methode für die Kollegen bei Takeda, wirklich zu verstehen, was Patienten durchmachen, welchen Beitrag unsere tägliche Arbeit leistet und, noch wichtiger, stolz zu sein auf die Arbeit, die wir bei Takeda leisten.“
Das zweitägige #InTheirShoes-Programm wurde von der Abteilung Corporate Communications bei Takeda Zürich erstellt und war dazu gedacht, das Bewusstsein für die Krankheit bei den Mitarbeitern auf andere Weise zu schaffen. Projektleiterin Audrey Liechti und ihr Team wollten eine Erfahrung für die Kollegen schaffen, die so real wie möglich ist. Das Pilotprogramm wurde im Dezember 2015 in der Takeda-Niederlassung in Zürich mit 22 Teilnehmern gestartet.
„Während die Mitarbeiter die Vorteile unserer Produkte kennen, ist es nicht immer leicht zu verstehen, wie eine Krankheit wie IBD das Leben und die täglichen Aktivitäten von Patienten beeinträchtigt“, erklärt Liechti.
Unter Verwendung eines Mobiltelefon-Systems schickten Mitglieder des Informationsteams per SMS Nachrichten auf die Telefone der Teilnehmer, die diese an den typischen Erfahrungen eines IBD-Patienten teilhaben liessen. Obwohl diese Simulation niemals die mit IBD verbundenen Schmerzen wiedergeben konnte, enthielten diese Textnachrichten in der Regel Erinnerungen daran, wann der Patient Schmerzen haben könnte oder an dessen Erfahrungen mit Verlangen, Ernährungseinschränkungen oder anderen zeitbezogenen Situationen. Wie im wahren Leben des Patienten waren umgehende Reaktionen auf diese Nachrichten in der Simulation entscheidend. Erfolgte keine Reaktion, so konnte dies zu unangenehmen „Vorfällen“ innerhalb der Simulation führen, damit die Erfahrungen einer an einer IBD leidenden Person besser nachvollzogen werden konnten.
„Der schwierigste Teil der Simulation bestand darin, die Unterbrechungen des Tagesgeschäfts zu managen. Mir war es stets peinlich, ein Meeting oder eine Diskussion hektisch verlassen zu müssen“, sagte ein Teilnehmer in Zürich. „Ich konnte nie wirklich vorausplanen. Nicht mal für die nächste Stunde, denn ich lebte in ständiger Ungewissheit.“
Für längere Simulationsaufgaben erhielten die „Patienten“ detaillierte E-Mails. Scheinaktualisierungen behandelnder Ärzte, Manager oder anderer Kollegen wurden telefonisch mitgeteilt und das Erfahrungsteam setzte persönliche Besuchstermine bei Spezialisten um. Das Anliegen dieser Übung war zu versuchen, die Schwierigkeiten, die das Leben und der Umgang mit IBD mit sich bringen sowie die Auswirkungen auf das persönliche und berufliche Leben der Patienten zu vermitteln.
Während dieses Vorhabens führten die Teilnehmer ein Logbuch über ihre Erfahrungen und darüber, wie sie sich dabei fühlten.
„Obwohl die Einschränkungen nur simuliert waren, wurden sie mit Hilfe von Patienten und Patientenberatungsgruppen für entzündliche Darmerkrankungen in der Schweiz zusammengestellt und kamen den Erfahrungen eines IBD-Patienten ziemlich nah“, sagt Liechti.
Die Ergebnisse der Simulation brachten wertvolle Einsichten: mehr als 1.000 Interaktionen mit den Teilnehmern, 172 Toilettenbesuche, sechs Vorfälle, bei denen sich die Patienten selbst „beschmutzten“ und vier persönliche Besuchstermine bei Spezialisten.
Ein Teilnehmer berichtete, dass er ständig sein Racquettballspiel unterbrechen musste, um „auf die Toilette zu gehen“, während ein anderer von einem Gespräch mit seiner Tochter erzählte, in dem er seine plötzliche Umstellung der Ernährungsweise erklärte. All dies zusätzlich zu ihren normalen Alltagsabläufen führte zur wahrsten Erkenntnis von allen: IBD hält sich nicht an die Zeitpläne des Patienten.
Nach einem erfolgreichen ersten Pilotprojekt in Zürich wurde das Programm ein zweites Mal angeboten und ist inzwischen in anderen Niederlassungen von Takeda übernommen und umgesetzt worden. Fast 300 Takeda-Mitarbeiter in Singapur, Kanada, Frankreich und Dänemark haben bei dieser Aktion mitgemacht. Natacha Raphael, Leiterin der Abteilung Communications bei Takeda Kanada, leitete ihre Version der Aktion und beschreibt die Erfahrung als „demütigend und schwierig“ für die Teilnehmer.
„Durch diese Erfahrung habe ich ein anderes Gespür dafür, wie belastend diese Krankheit sein kann und wie stark man sein muss, um trotzdem ein normales Leben zu führen“, sagte Edward Feijoo von Takeda Kanada. „Ich habe fast das wichtige Tor meiner Tochter beim Fußball verpasst, weil ich ständig damit beschäftigt war, eine Toilette zu finden. Ich musste rennen, um eine Toilette zu finden. Ich habe es gerade so geschafft. Ich fühlte mich, als wäre dies nicht nur ein Sieg für meine Tochter gewesen, sondern einer, den ich über diese Krankheit davongetragen hatte.“
Liechti begrüsst es, dass andere dieses immersive Programm übernehmen, denn obwohl man nie wirklich verstehen wird, wie es ist, jeden Tag mit IBD zu leben, haben sie und ihre Kollegen jetzt zumindest ein besseres Verständnis von den Auswirkungen. „Letztendllich macht unser Verständnis für das Leiden des Patienten unsere Arbeit sinnvoller. Und wenn wir Lösungen für Probleme finden können, dann ist das umso besser.“
Das Team hofft, das Programm auf weitere Länder wie Japan, Belgien und Italien ausweiten zu können, um einer noch größeren Mitarbeitergruppe die Möglichkeit zu geben, die wirklichen Auswirkungen von IBD zu erleben.
Es gibt auch Pläne, das Programm extern zu starten, um ein Bewusstsein für diese demütigende Krankheit bei einem breiteren Publikum zu schaffen.
Literaturhinweise:
1. Fumery, M. et al. Epidemiology, risk factors and factors associated with disabling course in inflammatory bowel disease. Rev Prat. 2014 Nov;64(9):1210-5.
2. Living with Crohn’s and Colitis. (Ein Leben mit Morbus Crohn und Colitis.) Amerikanische Webseite der Crohn’s & Colitis Foundation. http://www.ccfa.org/living-with-crohns-colitis. Zugriff am 6. Mai 2016.